Frau Emma Hellenstainer und ihre Zeit – Vermisst

Da war einmal alles mit Zenzi im Garten. Familie Moar, Sommergäste aus Bozen, wollte abreisen. Für die „Moarfräule“ soll ein Blumenstrauß gemacht werden, hatte die Mutter gesagt. Er war fertig, nun schlug es acht Uhr, die Kinder mussten ins Bett, die kleine Schar zog ab. Josefine aber eilte, von den Anderen unbemerkt, wieder in den Garten um den vergessenen Strauß zurück. Nachdem sie diesen gefunden hatte und den Schwestern nacheilen wollte, war überall gesperrt und es wurde dunkel. Der Garten glich einer Insel, links der große Bach, rechts der Wierkanal, unten vereinigte sich dieser wieder mit der Rienz, die man auf einer Brücke übersetzte, und ringsum ein hoher Zaun. Die Hilferufe der Kleinen verhallten im Rauschen des Wassers. Jetzt traten schon die Sterne heraus und schauerlich war’s ringsum. Die Gefangene begann einen Rundgang um das Gartenhaus, betend, weinend und dachte nichts anderes, als dass jetzt die armen Seelen kommen würden, ihre Schrecken noch zu vermehren. Indessen herrschte im Hause die größte Bestürzung, das Kind schien verschwunden. Die Mutter war in furchtbarer Aufregung, Josef nicht zu Hause und sollte erst um 10 Uhr von Lienz zurückkommen. Zenzi lief noch einmal, ohne jede Hoffnung, unter fortwährendem Rufen um das Haus und kam auch in die Nähe des Gartens. Wie dann die kleine Gefangene herangestürzt kam und durch die Lattentür Zenzis Kleid packte, es unter Lachen und Weinen nicht mehr freigeben wollte, bis diese sagte: So lass mich doch aus, um den Schlüssel zu holen, denn mit dem Finger kann ich nicht aufsperren. Im Triumphe wurde die Vermisste der Mutter zurückgebracht und gleich darauf langte der Vater an. Er brachte eine Spieldose von Lienz mit — eine für jene Zeit ganz neue Erfindung. Sie wurde aufgezogen und spielte zuerst einen Marsch und dann „Zu Warschau auf den Knien“. Aber bald fielen den Kindern, ob der ungewohnten Nachtwache, die Augen zu. —

Schnell ins Bett. Alles wurde still, das ganze Dorf ruhte, der Mond versilberte mit seinem Schein Häuser und Landschaft und blickte auch hinein in die Kammer, wo Zenzi in heißem Dankgebet vor ihrem Schutzengelbild auf den Knien lag.

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Veröffentlicht von josefauer.com

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