Es war am 12. April 1817, als dem Johann Hausbacher, Kaufmann und Marschkommissär in Sankt Johann im Unterinntale, ein Mädchen geboren wurde, welches den Namen Emma erhielt. Dieses Kind wurde im Laufe der Jahre als biedere Tiroler Wirtin weit über die Grenzen ihres Vaterlandes hinaus bekannt und beliebt.
Ihre Mutter, eine geborene Panzl, bewirtschaftete jenes Gasthaus zum grauen Bären in St. Johann, in dessen Wirtsstube sich die vom Maler Defregger so meisterhaft dargestellte Szene zwischen Speckbacher und seinem Sohne Anderl abspielte. Sie war aus Mittersill im Pinzgau gebürtig, die Vorfahren jedoch stammten aus dem Oberinntale, eine äußerst resolute Frau, die sich bis in ihr hohes Alter eine seltene Geistesfrische erhielt, eine Eigenschaft, die sich in vollstem Maße auf ihre Tochter Emma vererbte. Die Mutter der Frau Hausbacher, die alte Frau Panzl, erfror in den Tauern gelegentlich einer Wallfahrt nach Luggau in Kärnten; bis vor wenigen Jahren bezeichnete ein „Marterl“ diese Unglücksstelle.
Vater Hausbacher war eine bekannte Persönlichkeit, dem sein Dorf einst die Rettung vor Zerstörung verdankte. Als nämlich im Jahre 1809 die Franzosen in der Nachbarschaft sengten und plünderten, stürmten sie auch auf St. Johann los. Da traten ihnen der damalige Dechant Wieshofer und unser Hausbacher beherzt entgegen. Die beiden wackeren Männer baten um Schonung für das Dorf, sich für die Sicherheit und reichliche Verpflegung der Truppen verbürgend. Sie erreichten ihr Ziel, obwohl das Dorf durch die Besatzung schwer zu leiden hatte. Es war doch vor dem Untergang bewahrt, während manche Ortschaften der Umgebung in Flammen aufgingen.
Emmas Onkel mütterlicherseits war der berühmte Schützenhauptmann und Unterkommandant Panzl Hans, geboren 1786 als Sohn des Mühlbacher Wirtes in Mittersill im Pinzgau. Als Brauerlehrling in Kitzbühel beteiligte er sich im Jahre 1805 an der Verteidigung des Pass Strub unter Wintersteller, wo derselbe durch List und einige Meisterschüsse den 6000 Mann starken Feind zum Abzug brachte. Nach Vollendung des Kampfes nach Kitzbühel zurückgekehrt, erfolgte bald seine Freisprechung als Brauerbursche. Sein Vater kaufte ihm nun ein Bräuhaus in Windisch-Matrei. 1808 verehelichte er sich mit der Bürgerstochter Franziska Rauter aus Windisch-Matrei.
Doch schon 1809 wurde er wieder unter die Waffen gerufen. Bei Lustenstein nahm er am glänzenden Sieg gegen die zehnfach überlegenen Bayern teil. Bei der Taxenbacher Brücke hinderten Oberkommandant Wallner und Panzl den Feind am Weitermarsch. Im Iseltale nahm er einmal mit 20 Schützen 200 Franzosen gefangen. Beim Hirschbühel jagte Panzl mit drei Schützen 500 Bayern in die Flucht.
Doch lassen wir Speckbacher in seiner originellen Sprache diese Episode erzählen: „Beim Hirschbüchl hat Panzl mit seinigen drei Schützen 500 Baiern, welche den sogenannten Schwarzbach besötzt hatten, durch sein besonderes Geschrey und ganz blindes Komantiren und mit Unter Schießen so rasch durch das Tal hinausgejagt, dass dieselbigen nicht nur bis Reichenhall nicht umzuschauen sich Zeit genommen, sondern in der Meinung, es kommen eine ungeheure Menge Schützen nach, gleich alle Salzpfannhäusler aufgefordert haben, sich unverweilt zur Verteidigung bereit zu halten, und dass auch in Salzburg alle Zugbrücken ausgezogen, und Alle mit Schräken auf die Ankunft der Tiroler und Bintzgauer Landesverteidiger gewartet haben.“ —
Aber alle Tapferkeit und Todesverachtung konnten auf die Länge gegen den großen Korsen nicht aufkommen — der Friede von Schönbrunn wurde geschlossen — Tirol abgetreten. Nun kamen böse Tage für unfern Panzl; ein hoher Preis war auf seinen Kopf gesetzt, er wurde verfolgt wie ein gehetztes Wild, aber im Pustertal gab es keine Verräter. Lange wurde die ganze Gegend abgesucht, bis die Franzosen zur Überzeugung kamen, er müsse im eigenen Hause verborgen sein. Tatsächlich hatte sich Panzl unter der „Bräukuchl“ in der Erde vergraben und hielt durch fünf Tage und Nächte in diesem nur seiner Frau bekannten Verstecke aus; er hörte seine Verfolger ober sich herumtrampeln, jedoch Polizeihunde gab es damals noch nicht und die Feinde hatten auch keine „Hundsnasen“, er wurde nicht entdeckt.
Nun kam die Ordre, das Bräuhaus zu demolieren. Seiner Gattin wurde auf ihr Ansuchen gestattet, Einiges aus dem Besitz zu retten. Ein guter Freund, Gerbermeister Gebiedl trug den Geächteten in einem Rückenkorb, unter Kalbfellen verborgen, aus dem Hause bis vor das Dorf; weiter vermochte er ihn nicht zu schleppen, denn der Retter war schwächlich und klein von Statur. Noch in derselben Nacht flüchtete Panzl unter unsäglichen Beschwernissen, mitten im Winter, entkräftet durch den unterirdischen Aufenthalt über den Tauern, der jedes Jahr dem Einen oder Andern zum Grab wird, ins Salzburgische. Unzählige Male in äußerster Gefahr erwischt zu werden und das Los der übrigen Vaterlandsverteidiger zu teilen, entkam er immer wieder auf wunderbare Weise.
Als Tirol an Österreich zurückkam, wurde er 1814 zur Entschädigung für seinen verlorenen Besitz als Unterförster mit 500 Gulden jährlich angestellt, dann 1829 mit 300 Gulden pensioniert. 1834 starb sein Weib und ließ ihm 12 Kinder zurück. Um denen wieder eine Mutter zu geben, heiratete er eine Regina Voider aus Virgen, aus welcher Ehe 9 Kinder stammten. Der jüngste Sohn Rudolf von Panzl, 1847 geboren, lebt derzeit als Oberst der Ruhe in Wien. Unser Schützenhauptmann hatte seiner Vaterlandsliebe Hab und Gut geopfert und lebte mit seiner vielköpfigen Familie (21 Kinder) zeitweilig in der bittersten Not; jedoch durch äußerste Sparsamkeit und Fleiß gelangte er doch noch zu einem bescheidenen Besitz. —
Man verzeihe die lange Abschweifung vom eigentlichen Thema, sie diente darzutun, von welch wetterharten, hochpatriotischen Vorfahren Frau Emma stammte.