23. April 1888: Festlich geschmückter Bahnsteig, Kaiser Franz Josef I. begrüßt Königin Victoria von England auf deren Durchreise von Florenz nach Berlin am Innsbrucker Bahnhof.
Bildnachweis: ÖNB Wien/Bildarchiv, Inventarnummer NB 512182 – B
Natur.Heimat.Kultur.
23. April 1888: Festlich geschmückter Bahnsteig, Kaiser Franz Josef I. begrüßt Königin Victoria von England auf deren Durchreise von Florenz nach Berlin am Innsbrucker Bahnhof.
Bildnachweis: ÖNB Wien/Bildarchiv, Inventarnummer NB 512182 – B
Zum Aufenthalt von Queen Victoria am Innsbrucker Bahnhof findet sich in der Steyrer Zeitung vom 26. April 1888 folgender ausführlicher Bericht:
“Die Monarchen-Zusammenkunft in Innsbruck.
Aus der Hauptstadt Tirols liegen über die am Mon-
tag daselbst erfolgte Zusammenkunft der aus Florenz nach
Berlin reisenden Königin Victoria von England mit
unserem Kaiser Franz Josef folgende Meldungen vor:
Innsbruck, 23. April. Seine Majestät der Kaiser
ist nach 11 Uhr Vormittags hier angekommen. Zum Em-
pfange des Monarchen hatten sich der Statthalter, Corps-
commandant v. Teuchert-Kauffmann und Bürgermeister Falk
auf dem Bahnhöfe eingefunden. Se. Majestät zeichnete die
selben mit längeren huldvollen Ansprachen aus, bestieg sodann
die bereitgehaltene Equipage und fuhr unter begeisterten Hoch-
rufen der dichtgedrängten Menge, welche seit Stunden den Bahn-
hofplatz besetzt hielt, durch die reich beflaggte Stadt in die
Hofburg. In der Begleitung des Monarchen befanden sich
der Generaladjutant FML. Graf Paar und der Flügeladju-
tant Frhr v. Fließer. — Um 2 Uhr Nachmittags ist die
Königin von England mit einem Separat-Hofzuge hier
angelangt. Se. Majestät der Kaiser, in großer Marschalls-
uniform, erwartete Allerhöchstdieselbe auf dem Perron des
Bahnhofes. Die Begrüßung erfolgte in der herzlichsten Weise.
Noch ehe der Zug vollständig stille hielt, hatte sich die Kö-
nigin schon zum Gruße erhoben. Se. Majestät der Kaiser
küßte der Königin die Hand und führte sie am Arme in die
zum Empfange der allerhöchsten Herrschaften glanzvoll aus
gestatteten Appartements des Bahnhofes, wo das Mittags-
mahl eingenommen ward. — In Begleitung der Königin
befanden sich Prinzessin Beatrix, Prinz Heinrich von Battenberg
und der zur Dienstleistung zugetheilte Ehrencavalier
Oberst Prinz Liechtenstein.
Nach einem Aufenthalte von 1 1/4 Stunden, während
dessen die Bahnhofräume nicht verlassen wurden, erfolgte die
Abreise der Königin von England. Der Abschied fand
in herzlichster Weise statt. Se. Majestät der Kaiser geleitete
die Königin an seinem Arme bis zum Coupet, woselbst sich
die Majestäten umarmten und küßten. Der Kaiser verweilte
noch am Perron, bis der Zug die Halle verlassen hatte, und
trat dann unter den lebhaften Hochrufen des vor dem Bahn-
hofe versammelten Publicums die Rückfahrt in die Hof-
burg an.
Innsbruck, 23. April. Im Laufe des Nachmittags
machte Se. Majestät der Kaiser in Begleitung des Statt-
halters eine Rundfahrt durch die Stadt. Der Kaiser besich-
tigte den großen Spitalneubau und das Justizpalais, und
begab sich sodann über die Museumstraße und den Saggen-
weg, an dem im Bau begriffenen großen Waisenhause vorbei,
nach der Hofburg zurück. Um halb sechs Uhr fand daselbst
ein Diner statt, zu welchem der Statthalter, Corpscomman-
dant und Bürgermeister, sowie Präsident Czedik geladen waren.
Um sechs Uhr 40 Minuten trat Se. Majestät mittelst Ex-
preßzuges die Rückfahrt nach Wien an. Auch zur Abfahrt
fand sich am Bahnhof ein zahlreiches Publicum ein, welches
den Monarchen mit stürmischen Hochrufen begrüßte.
Die officiösen ungarischen Blätter legen dieser Monarchen-
Zusammenkunft hohe Bedeutung bei. So schreibt “Nemzet”:
„Angesichts der Jahrhunderte alten Traditionen bildet
die Zusammenkunft der Beherrscher Oesterreich-Ungarns
und Englands eine Gewähr dafür, daß das Bewußtsein,
auf einander angewiesen zu sein, in den Schichten der
betheiligten Nationen immer mehr zum Vortheile einer fried-
lichen Lösung der noch in Schwebe befindlichen europäischen Fragen erstarkt”.
Der „Pester Lloyd” schreibt am 23. ds. M.: „Jeder-
mann muß wohl in der Thatsache, daß der Monarch Oester-
reich-Ungarns die weite Reise nicht scheute, um die Königin
von England auf seinem Territorium zu begrüßen, und daß
Königin Victoria ihrerseits einen längeren Aufenthalt
zu Innsbruck in ihr Reiseprogramm aufgenommen hat, um
zum ersten Mal in ihrem Leben Gelegenheit zu finden,
mit Kaiser Franz Josef persönlich zu verkehren, ein er-
freuliches Symptom dafür erkennen, daß die Sympathien,
die zwischen den Völkern Oesterreich-Ungarns und der eng-
lischen Nation seit langer Zeit bestehen und die nicht nur
in gewichtigen historischen Thatsachen, sondern auch in der
Erkenntniß der bestehenden Interessengemeinschaft wurzeln,
auch von den Herrschern der beiden großen Reiche getheilt
werden.”
Als Queen Elizabeth im Jahre 1969 in Innsbruck zu Besuch war, erinnerte sie in ihrer Tischrede an die Reise ihrer Vorfahrin Queen Victoria:
“Herr Landeshauptmann, Herr Präsident! Es ist vielleicht für Sie und
für die Menschen, die in Tirol leben, schwierig, den überwältigenden Eindruck zu ermessen, den Ihre
herrliche Gebirgslandschaft auf jemanden machen kann, der sie zum
ersten Mal sieht. Dazu kam noch
der
außerordentlich
herzliche
Empfang durch so viele Leute dieser altehrwürdigen Stadt Innsbruck,
so daß Sie sicher verstehen werden, wenn ich sage, daß für uns
dies ein äußerst eindrucksvolles Erlebnis war.
Schon in der Römerzeit lag Tirol
an der Hauptverkehrsstraße, die
Nord- und Südeuropa
verband,
und es würde die alten Römer nicht
überraschen, wenn sie heute sehen
könnten, daß das, was sie begannen, durch die Brennerautobahn
und die großartige Europabrücke,
die wir heute morgen bewunderten, auf den neuesten Stand gebracht wurde.
Die Römer haben möglicherweise
ihre Verbindungswege für militä-
rische Zwecke verwendet,
heute
geben diese Straßen
jedermann
die Möglichkeit, herumzureisen und
stellen eine Gelegenheit für die Völker Europas dar, einander kennenzulernen.
Lange bevor die Verkehrswege so
gut entwickelt waren wie heute,
entdeckten die Briten –
die Pioniere so vieler Formen der Freizeitgestaltung
– die Attraktion Ihrer
Berge. Seither sind sie im Sommer
wegen der Landschaft und im Winter zum Schifahren hierher gekommen. Als Königin Victoria im Jahre
1888 auf der Durchreise nach Innsbruck kam , erwähnte sie die Groß rtigkeit der Landschaft in ihrem
Tagebuch. Und nun konnte ich
selbst sehen, wieso sie so beeindruckt war.
Mit besonderem Interesse habe ich
heute morgen den Kenotaph Kaiser
Maximilians I. in der Hofkirche besichtigt. Es war zu seiner Zeit, daß
die ersten regelmäßigen diplomatischen Kontakte zwischen unseren
bei den Ländern aufgenommen wurden. Er muß überhaupt ein Mann
von besonderer Urteilskraft gewesen sein, entschied er sich doch dafür, sich mit seinem Hof in Innsbruck niederzulassen und hier ein
Zentrum des Lernens und der Kultur zu schaffen. Ich habe gehört,
daß aus Anlaß seines 450. Todestages eine Ausstellung veranstaltet
wird ; mit besonderer Herzlichkeit
wünsche ich den Veranstaltern daher jeden nur möglichen Erfolg.
Ich freue mich auch , daß ich endlich die Möglichkeit hatte, das Land
Andreas Hofers zu sehen, dessen
Wirken und tapferer Widerstand
ihn zu einem internationalen Helden machten.
Herr Landeshauptmann , Herr Präsident, ich danke Ihnen für Ihre herzliche Aufnahme und großzügige Gastfreundschaft; und ich
werde die Erinnerung an meinen
allzu kurzen Besuch in Ihrer schönen, von Bergen umgebenen Stadt
immer bewahren. Besonders aber
werde ich mich an die Herzlichkeit
Ihres Willkommens und die Heiterkeit
und spontane Zuneigung der Tiroler Bevölkerung erinnern. Es war
ein so interessanter, farbenfroher
Vormittag
– mit den berühmten
Tiroler Liedern und den stolzen Federn auf den Hüten der Schützen.
Ich erhebe mein Glas auf Ihre Gesundheit und auf den Wohlstand
und das Glück der Bevölkerung
von Innsbruck und Tirol.”
Interessant wäre zu erfahren, was Queen Victoria in ihrem Tagebuch über Tirol und Innsbruck schreibt. Die Zusammenkunft mit Kaiser Franz Joseph war ein großes und wichtiges Ereignis.
Die Tagebücher sind digitalisiert und transkribiert. Der öffentliche Online-Zugang ist aktuell jedoch nur innerhalb des Vereinigten Königreichs möglich.