Frau Emma Hellenstainer und ihre Zeit – Noch gut abgelaufen

Unter den Durchschnittsgästen der Frau Emma befanden sich manchmal auch Originale, Sonderlinge, und es wäre manches zu erzählen. Zum Beispiel von Herrn und Frau Steinbüchl aus Triest. Ein großer Gelehrter, von dem sogar im Konversationslexikon steht. Er war hochbetagt, den Neunzigern nahe, doch immer munter und voll Witz; machte sich nichts aus den Tafelfreuden, ja es passierte, dass an Sonntagen, wo seine Frau ihn während ihres Kirchenbesuches allein ließ, er sich um halb 1 Uhr noch nüchtern zur Table d’hote setzte, hatte auf das Frühstücken vergessen. — Nicht so die Frau; diese hielt viel auf guten Kaffee; damit derselbe nach ihrem Geschmack serviert werde, bandelte sie mit der Kochenlernerin, Frl. Marie Harasser, an: „Tun sie nur recht viel Schlagrahm auf meinen Kaffee; wissen Sie, es handelt sich da um meine Gesundheit.“ —

Lieblingsspeise derselben waren die rotgetupften Bachforellen, die aber nicht immer zu haben waren. Herr von Steinbüchl erklärte einmal: „Wenn es heut‘ abends wieder nicht Forellen gibt für meine Frau, so muss rein ich mich blau absieden lassen“. — Einmal wurde ihr für das Souper, wo alles separat speiste, ein Haselhuhn zugesagt; es war Hochsaison, man hatte die Hände voll Arbeit. Die zweite Kochenlernerin Sophie von Panzl, Tochter des Freiheitshelden, nachmalige Frau Ongania in Innsbruck, wurde mit der Zubereitung des Haselhuhnes betraut, hatte es zu dressieren, zu spicken, auf den Spieß zu stecken und schön zu braten; sie war mit allem Eifer dabei, es fleißig zu begießen, es war eine Freude, zu sehen, wie es sich drehte und bräunte, rund und voll wurde. Man richtete es unzerteilt, mit Petersilie garniert, an, die Kellnerin trug es auf. Einige Zeit nachher ging es Marie, Emmas Tochter, der Verantwortlichen, im Kopf herum, wieso das Hühnchen gar so plump und voll ausgesehen hätte.

„Sopherl, hast du es wohl auch ausgenommen?“ „Mein Gott, das habe ich vergessen!“ — Es wurde in der Küche still vor Entsetzen. Und schon kommt die Kellnerin: „Wer hat das Haselhuhn zubereitet?“ Kleinmütig meldet sich die Schuldige. „Sieh’, hier schickt dir Frau von Steinbüchl ein Paket feinste Pariser Schokolade, weil du dir bei dem heutigen Trubel noch die Mühe nahmst, das Huhn zu füllen, hat ausgezeichnet geschmeckt!“ Alles atmete auf und die Küche hat bis zum heutigen Tag das Geheimnis bewahrt.

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Veröffentlicht von josefauer.com

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