von Ludwig Steub
Nach dem langen Winter 1843 fand ich mich wieder auf einer Blumenterrasse im Etschland, in einem schönen Garten bei Bozen. Hier am Lorbeerbusch träumt Schiller im bleichen Marmor, dort erhebt sich Goethe’s gebieterisches Haupt, und in der Geisblattlaube ist der verständige Nestor aus Prinz Zerbino aufgemalt wie er im Garten der Poesie, mit den Dichtern wortwechselt – alles freundliche Wahrzeichen, daß auch um diese letzte Stadt deutscher Zunge der deutsche Genius ein geistiges Band geschlungen habe, das sie dem großen Ganzen vereint. Ringsherum wiegen sich im Morgenwinde mannichfaltige Rosen, Georginen und Azaleen, während seltsame Cactusgesträuche, Aloën und andere exotische Gewächse in unbewegter Ruhe prangen. Gegen die Höhe steigen, das liebliche Plateau umfassend, cyklopische Mauern auf, welche Weinlauben, Oelbäume, nebst manchem Belvedere tragen und sich in den grünen Buschwald verlieren, der die ungeheure Porphyrwand weich wie Sammet überkleidet. Aus den Ritzen dieser Steinlager wachsen wilde Opuntien empor, welche, so ärmlich sie herumkriechen, doch an die blauen Berge erinnern [371] die ihren Scheitel im jonischen Meere spiegeln. In der Niederung liegen Weingüter; sammt und sonders in zierlichen Bogengängen, und aus den Weingütern steht die Stadt auf, im dünnen Morgenflore, mit dem braunen feinen gothischen Pfarrthurm, der sein fleißiges Geläute erbauend herüber hallen läßt. Ueber der Stadt hinaus führt das Thal an der schlängelnden Etsch hin nach Italien, eine schmale Ebene, die sich im engen Einfange senkrechter Felsenmauern hinunterstreckt bis an die Clause von Verona. Man sieht da in viel blaues Berggeschiebe, das sich geheimnißvoll in einander drängt. Zur rechten Seite in ziemlicher Nähe schießt die rothe Wand der Mendel auf, und ihr zu Füßen dehnen sich lockend die milden Höhen von Kaltern, voll Dörfer, Höfe, Landsitze und Burgen. Dort drüben, an den Pforten der Weinkammer von Tirol, ragt die stolze Ruine von Sigmundskron, und vom steilen Berghang herab glänzt Hohen-Eppan, die glorreiche Veste, jetzt zwar gebrochen, aber noch immer bedeutsamen Ansehens, fast wie ein galiläisches Bergstädtchen in Merians Bilderbibel. Neben ihr liegen noch andere Burgen, diesseits der Etsch Haselburg und Weinegg, weiter oben Carneid, da wieder eine Veste, dort noch ein paar und wieder ein paar. – An dieser schönen Landschaft ergötzte ich mich oft stundenlang in dem Garten, dessen lieber Herr mich gastfreundlich zu sich geladen, um den Herbst mit ihm zu verleben. Da erfreute mich auch noch der Umgang einer liebenswürdigen Familie und das Labsal einer trefflichen Bibliothek, für die der Hausherr alles gesammelt hatte, was die Literatur europäischer Völker Schönes hervorgebracht. Das war ein selig stilles Musenleben, an das ich mich meiner Tage mit Dankbarkeit erinnern werde.
Gehen wir jetzt aus der heimlichen Abgeschiedenheit unsers Gartens hinunter in die lauten Gassen der Stadt, welche die reichste ist in Tirol, nach allgemeiner Annahme auch die heißeste, da der enge Bergkessel die Hitze mehr zusammen hält als die luftigern Lagen von Trient und Roveredo. Die Stadt ist ohne viele Zierlichkeiten, aber gut gebaut, voll hoher fester Häuser, mehr alterthümlich als neumodisch. Die [372] Hauptstraße, schon in der ersten Anlage auf die Hitze des Sommers berechnet, ist etwas eng und finster ausgefallen, hat aber geräumige Bogengänge, Lauben genannt, unter denen auch in der wärmsten Jahreszeit eine kellerliche Kühle duftet. Fast an allen Häusern sind Erker angebracht, zur luftigen Aussicht Straß’ auf und ab. Im Innern dieser Gebäude überraschen die großen Räume: die weite Hausflur, die mächtigen Stuben und insbesondere die eigenthümliche Lichthaube, ein mitten im Hause stehender Hof, oben mit schwebendem Dach überlegt, unten durch sprudelnde Brunnen belebt, eine nothwendige Vorrathskammer, von wo aus Kühlung und frischer Luftzug in alle Gänge und Gemächer sich ergießt. Die italienischen Landleute die auf dem Markt sitzen oder unter den Lauben rasten, die italienischen Aufschriften über deutschen Waarengewölben, das offene Leben vor den Kaffeehäusern, die zerlumpten Jungen die sich dienstfertig um den ankommenden Fremden drängen, und manches andere erinnert daß man an den Thoren von Wälschland steht.
Auch die Fauna erhebt sich mit mit geilem Schwunge bis zur Erzeugung des Scorpions. Ferner gibt es etwas tödtliche Vipern, die man hier zu Lande schlecht und recht Beißwürmer nennt. Im Pflanzenreiche kommt fast alles fort, was in Hesperien wächst. Wer die Süßigkeiten des hiesigen Herbstes gekostet, die wonnevollen Trauben, die feinen Pfirsiche und alles was mit ihnen aus den Gärten kommt, der wird immer mit Sehnsucht daran denken, wie die reisenden Matrosen von Ithaka an die Lotosfrucht. Sehenswerth sind auch die Bozner Gärten. Wenn zu den warmen Lüften noch die Kunst des Blumenwärters und der Reichthum gartenfreundlicher Familien kömmt, so muß Flora allerdings ihr ganze Pracht entfalten.
Die günstige Lage hat die Stadt schon in frühen Zeiten zu großer Wohlhabenheit geführt. Gerade hier, in die Landzunge zwischen Etsch und Eisack mündet der befahrenste Straßenzug aus Italien nach Deutschland, um sich da in zwei Arme zu theilen, von denen der eine über den Brenner nach Bayern, der andere über Finstermünz und den Arlberg nach [373] Schwaben geht. Beide Pässe, die niedersten, die über die Alpen führen, waren von jeher für Römerfahrten, für Heereszüge, für Pilgerschaft und Handelsverkehr stark benützt. Die uralten romanischen Kirchlein in der Stadt und der Umgebung, mit ihren massiven weißen Thurmhauben erinnern noch an die lombardischen Zeiten, wo die Stadt auch schon ihre Bedeutung hatte. Uralt sind auch die vier Bozner Messen, die jetzt freilich sehr herabgekommen.
So ist die Stadt, obgleich an Umfang immer klein, doch schon im frühen Mittelalter sehr wohlhabend geworden und muß immer noch dafür gelten, obgleich in dem letzten halben Jahrhundert der Reichthum eher ab- als zunahm. Die heutigen Bozner wissen auch, daß sie viel Geld besitzen und sie sollen sich sogar etwas darauf einbilden. Noch vor etlichen Jahrzehnten hat sich die Stadt nach bewährten Angaben einem sehr ungebundenen Sybaritenleben[WS 1] überlassen, zur Zeit aber geht ein zwiespältiger Ton durch ihre Gesellschaft; Weltlichkeit und Andacht sind sichtlich mit einander zerfallen. Bozen hat jetzt nämlich nicht ohne Grund den Ruhm der frömmsten Stadt im frommen Tirol. Eine bedeutende Anzahl von Weltpriestern und Mönchen übt großen Einfluß auf das Familienleben der bessern und unwiderstehliche Gewalt auf die mindern Leute. Man geht alle Tage zur Messe, alle Tage zum Rosenkranz, alle acht Tage zu Beicht und Abendmahl. Die Gebote der Kirche werden nicht allein ängstlich gehalten, sondern, mehr als anderswo, mit sinniger Strenge ausgelegt. So zum Beispiel weiß man vielleicht nirgends in der Welt als hier, daß das Spundloch eines Fasses, wenn auch Freitags Wein daraus gezogen werden soll, mit Schmalz vermacht seyn muß, aber nicht mit Speck, da der Wein außerdem, als mit einer Fleischspeise in Berührung, an Fasttagen nicht erlaubt wäre u. s. w. Viele Familien zeigen einen feurigen Eifer sich durch äußere Frömmigkeit hervorzuthun, und wie sich an andern Orten vornehme Damen ihr Putzzeug aus Paris verschreiben, so beziehen sie hier Fastendispensen u. dgl. unmittelbar vom päpstlichen Stuhl zu Rom und sind wahrhaft stolz auf den kräftigen Zettel, während der gemeine Pöbel [374] sich mit der ordinären Erlaubniß des Landesclerus begnügen muß. Amulete, Medaillen und derlei Haus- und Heilmittel, die man anderswo der frommen Einfalt des Landvolks überläßt, sieht man hier am Halse der Elite; auch Rosenkränze mit ausgespannten Händen und derlei starke Andachten kommen vor. Der gottselige Ausbund der Bozner hatte auch seinen guten Antheil an dem Aufkommen der Jesuiten in Tirol und das ist ihm übel notirt im Lande. Gebet- und Kochbücher bilden in manchem Hause die einzige Lectüre, denn die deutsche Literatur gilt in solchen als verdächtig, weil sie lutherisch (spr. lutt’risch) sey, und man freut sich, nichts davon zu wissen. Selbst über den lieben, freundlichen Erzvater schöner und edler Gefühle in deutscher Jugend, über den Herrn Friedrich Schiller aus Marbach in Schwaben, hat man hier seine eigenen Ansichten. Als man sein Bild in jenem Garten aufstellte, fragte zum Beispiel eine zürnende Stimme: warum diesen Mann vergänglichen Namens und nicht den heiligen Paulus? Ja es ist noch gar nicht lange her, daß einer der Geistreichen von Tirol, zwar kein Bozner, aber unter den Augen und der Inspiration einer tugendhaften Bozner Dame schreibend, in einer katholischen Zeitschrift gegen Schiller Verwahrung einlegte, und seiner Bildsäule nicht einmal einen Garten den er nicht hat, öffnen zu wollen erklärte, weil er fürchte, seine oder andrer Leute Kinder möchten ihn fragen, ob dieser Mann, dessen Bild sie umspielen, für die katholische Religion, sein höchstes Kleinod (?) gestritten in Wort und That. Nein, sagt er, wir wollen unsere Gärten unentweiht besitzen. O, über eure unentweihten Gärten mit ihren aspasischen Mysterien!! – Einige Ehrenmänner von dieser Seite, die gleichwohl eine mäßige Bekanntschaft mit Büchern als eine dem Zeitgeist gemachte Concession ansehen, behaupten, Herr Anton Passy, ein Jesuit zu Wien, der Verkünder Filumenens, sey der beste deutsche Stylist und könne für gute Christenleute insbesondere den heidnischen Goethe ganz ersetzen. Geistiges Leben und ästhetischer Bildungstrieb sind daher unter den Frommen zu Bozen jedenfalls auf ganz andern Bahnen als sonst im deutschen Vaterlande, und eine Ausgleichung scheint [375] um so weniger nahe, als man sich nicht ohne einige Eitelkeit der hohen Stellung rühmt, die man in der streng katholischen Welt verdientermaßen einzunehmen vermeint.
Anders dagegen denkt der Bozner Handelsstand, zumal die Männer. Diese verbringen ihre Jugend zu Wien, zu Triest und in den lustigen Handelsstädten Italiens, und fügen sich nach der Rückkehr ungern in das klösterliche Leben der Vaterstadt. Da aber gleichwohl eine öffentliche Trübung des städtischen Hausfriedens lieber vermieden wird, so finden auch sie sich bald in die selbstvergnügte boznerische Behaglichkeit hinein und freuen sich den Hafen gefunden zu haben, ohne ihren Weltansichten zu entsagen. Die strengen Arbeiten des Comtoirs erheischen ausgiebige Erholung und so vergeht denn des Winters viele gute Zeit im Kaffeehause und die warmen Monate nimmt die Sommerfrische hinweg. Die leibliche Erquickung ist auf diese Art so wohlbedacht, daß die geistige daneben fast zu Schaden kommt. Ein Lesecabinet, wie im Casino des reichen Bozens, findet sich in solcher Armuth gewiß in keiner andern deutschen Stadt von neuntausend Einwohnern. Freilich sagt man die Andächtigen seyen schuld an dieser Misere, da sie vieles, was die andern wünschen, als lutherisch nicht vertragen wollen. Immerhin beziehen mehrere Privatmänner anziehende Erscheinungen der deutschen Presse auf eigene Rechnung. Man sieht daraus, daß auch hier noch Leute zu finden, die etwas daran setzen mit dem Vaterlande in literarischer Verbindung zu bleiben. Im Allgemeinen aber haben es die weltlichen Bozner dahin gebracht, daß sie im ganzen Lande als klug, wohlbedacht und berechnend, aber auch als materielle Herren gelten, die sich zu sehr in ihre Kirchspielinteressen und altherkömmliches Wohlleben verloren haben. Andrerseits erkennen viele Bozner im Stillen die Gebresten ihrer Stadt wohl an und deuten mit Bitterkeit dahin, wo nach ihrer Ansicht deren Quelle ist, auf die dicke, frömmelnde Scheinheiligkeit, die über ihnen liegt und jede freiere Regung verketzert.
Da sie nun auch mit Witz und körnigem Salz wohl ausgestattet sind, so rächen sie sich heimlich an dem frommen [376] Frauenvolk und seinen männlichen Patronen durch beißende Satire und dieß um so lieber, als ihnen nicht gestattet ist, öffentlich ihre Meinung an den Tag zu legen. Von der andern Seite will man auch nichts schuldig bleiben und man hat daher beständig den schönsten Stadtklatsch. Diese Eigenthümlichkeit des Bozner Lebens wissen insbesondere die Innsbrucker hervorzuheben, die freilich den Boznern überhaupt nicht grün sind.
Wäre ich nun ein Bozner, so würde ich dich, lieber Leser, vor allem in die schöne alte Pfarrkirche, oder auf den neuerbauten preiswürdigen Friedhof mit der Pforteninschrift: Resurrecturis, dann allenfalls in den gräflich Sarntheinischen Garten führen, dann in die Privatsammlungen u. s. f., würde dabei bedacht seyn dir den bestmöglichen Begriff von hiesiger Stadt beizubringen und ihre vorragende Bedeutung im Verkehr, die angenehme Gesittung und hohe Achtung vor Kunst und Wissenschaft, so wie auch das durch den Blüthenduft feingebildeter Geselligkeit gehobene Daseyn in ihrem Schooß nach Verdienst zu rühmen haben. Dasselbe ungefähr würde ich thun müssen, wenn ich ein amtseifriger, auf das Gesetz der Reise-Handbücher verpflichteter Wandersmann wäre. Nachdem ich aber weder ein Stadtkind bin, noch auch nach dem Buchstaben der Handbücher lebe, vielmehr durch gewissenhafte Beobachtung ihrer Vorschriften zu andern Zeiten die Freiheit errungen habe, hier nach meinem Belieben schlendern zu dürfen, so führe ich dich meine eigenen Wege. Wir gehen schweigend etliche Gassen ab und verschwinden unvermerkt im Hause Meister Moosers, des Gerbers, das nahe an der Pfarrkirche in einer Seitengasse steht. Meister Mooser nimmt’s sehr freundlich auf, wenn fremde Leute bei ihm zusprechen, und er darf’s den Nordländern nicht verdenken, wenn sie sich über seinen gerühmten Garten recht herzlich verwundern. Es ist auch in der That ein wunderlieblicher Erdenwinkel, nur etwas zu eng um in horazischer Weise als wonniger Ruhesitz und süße Altersrast von Land- und Seefahrten ersehnt zu werden. In der Mitte steigt ein hoher Springbrunnen auf, ringsum sind Lauben und dichte dunkelgrüne Wände von auserlesenen [377] Gewächsen und in den Beeten hin und her die seltensten Blumen, während auf ragenden Schäften verschiedene weißblinkende Bildsäulen sich erheben, welche eine Anzahl christlicher Tugenden darstellen. Der Garten ist sehr schön zu sehen, aber in seinen vielen Reizen schwer zu beschreiben, und daher erwähnen wir schleunigst daß Meister Mooser neben der Kunst des Häutegerbens noch, wie so unendlich viele von seinen Landsleuten, ein Geheimtalent, eine Liebhaberei zur linken Hand ausübt, vielleicht schon die zweite, wenn wir seine allerdings endemische Gartenmeisterschaft als die erste gelten lassen wollen – er ist nämlich ein vortrefflicher Schnitzler und zwar im Architektonischen. So arbeitet er nun schon seit langen, langen Jahren an einer Weihnachtskrippe, welche die kunstreichste werden muß die seit Christi Geburt errichtet worden. Mit den Männchen und Weibchen die da eines Tages die biblische Geschichte in plastischen Darstellungen vorüberführen sollen, beschäftigt er sich der angegebenen Richtung nach zwar nicht selbst, sondern läßt sie herstellen von andern ausgezeichneten Händen, aber desto emsiger baut er an der Stadt Jerusalem, die den breiten Hintergrund der Krippe in nie gesehener Pracht und Herrlichkeit einnehmen wird. Sklavische Nachahmung einer ohnedem längstvergangenen schwer zu bestimmenden Wirklichkeit hat er dabei nie angestrebt – er handelt im Geist der altdeutschen Maler, die ja auch nicht gefragt wie die heilige Stadt etwa ausgesehen. Sie malten sie in ihrer Sinnigkeit gothisch, wie Köln am Rhein, und so wird auch sein Jerusalem nicht das Jerusalem von Anno 1, sondern der Inbegriff und Ausbund von allem Schönen und Großartigen was die Baukunst, so weit sie dem Meister durch Selbstsehen oder bildlich zu Gesicht gekommen, bis auf den heutigen Tag geschaffen hat. Als er das Kunstwerk begann, hatte er lauter moskowitische Ideen im Kopf, moskowitische Ideen mit stark mohammedanischem Anflug, und er schnitzte Tempel und Burgen wie im Kreml, mit wunderlichen Thürmen und birnförmigen Kuppeln, über denen der rechtgläubige Halbmond prangt, und mit Fenstern und Portalen wie an den Moscheen zu Konstantinopel. Dann befiel ihn aber eine [378] gleiche Scheu vor Moskau wie vor Stambul; er versetzte sich mit jähem Sprunge nach Italien, und schuf im Geiste Palladio’s etliche herrliche Paläste. Endlich – und dieß ist die Einkehr ins germanische Bewußtseyn und die späte, aber in unsern Zeiten unausbleibliche Manifestation seines boznerischen Deutschthums – endlich fing er an nach den Geheimnissen der altdeutschen Bauhütte zu forschen, und nun erstehen gothische Gebäude von unübertrefflicher Großartigkeit des Entwurfs und solcher Feinheit der Ausführung, daß sie ohne Wagniß selbst der kunstreichen Sammlung Hrn. Kallenbachs, die wir seiner Zeit so sehr bewundert haben, an die Seite treten dürfen. Derowegen ist die Mooser’sche Krippe gewissermaßen auch eine Monographie des localen Volksbewußtseyns im letzten Decennium, und daher sogar für den denkenden Staatsmann vielleicht nicht ohne wichtige Belehrung; sintemalen sie zeigt wie vor zehn Jahren etwa der Czaar und der Großtürke mit ihren Siebensachen noch in abenteuerlichem Wunderglanze vor dem innern Auge dieses Bozner Bürgers standen, wie dann sein Geist, zwar losgemacht von Kreml und Bosporus, doch noch immer scheu vor dem Vaterland und seiner eigenen Kunst, einen Zug nach Wälschland that, in den leichten italischen Formen gleichsam den Uebergang suchend von phantastischer Barbarei zum heitern Tiefsinn der Heimath, bis dann derselbe Geist, nach langem Irren, im Lande der Väter sich selbsten findet und durch die heimische Mutter Erde gekräftigt in urschönen Ideen schöpferisch aufschlägt. So läßt der Meister also unter den moskowitisch-türkischen Kuppelbauten und den italienischen Palästen altdeutsche Bauwerke sich erheben mit mystischen Spitzbogen, geschmückten Erkern und ragenden Mauerthürmchen, mit all dem zierlichen Ernst unsers Mittelalters, und vornehin an den Hauptplatz stellt er eine Residenz oder Königsburg, die dem Rathhause zu Brüssel oder sonstwo nachgedacht ist, in grandioser Schönheit aufsteigend, mit einem Glockenthurm, der nach meinem Augenmaß verhältnißmäßig der höchste ist in Europa. Stellen wir uns nun vor daß nicht allein für diesen, sondern auch für zwölf andere der wichtigsten Thürme die Thurmuhren schon fertig sind, [379] deren Hämmer auf tiefliegenden harmonisch gestimmten Stahlfedern für Jerusalem verkündigen werden wie viel es geschlagen hat, ungefähr so daß die letzte kaum die ganze Stunde erledigt, bis die erste schon wieder das nächste Viertel durch die Stadt hallen läßt! Und damit diese unter der glühenden Sonne Palästina’s der Kühlung nicht entbehre, so ist auch für Wasserkünste gesorgt, und der Talferbach muß seine frischesten Fluthen hergeben zu einem steigenden Springquell auf dem Residenzplatz, welcher mit einer ehernen Reiterstatue König Davids geschmückt wird, wie er zu seinen Psalmen die Harfe schlägt. Es wäre indessen Unrecht, wenn man hier allen Nachdruck nur auf die Stadt legen wollte, denn es kommen auch ländliche Darstellungen vor wie die Geburt Christi, die Hochzeit zu Cana u. dgl., wo die Erfindungslust des Meisters fast noch maßloseren Raum hat. Für solche Fälle – es versteht sich von selbst – werden dann die Gewässer der Talfer noch ausgiebiger benützt, um von dem erhabenen Hochgebirg, das hinten in sehnsuchtweckender Ferne dahinzieht, in tosenden Wasserfällen niederzustürzen, klappernde Mühlen zu treiben, rauschende Flüsse zu bilden und in den stillen mit Trauerweiden umbuschten See von Genezareth zusammenzuströmen, auf welchem ein rasches Dampfboot, mit Namen: der Fortschritt, dem Verkehr zu dienen bestimmt ist. Die Wahl möchte schwer werden, wenn einst die Krippe in vollständiger Herrlichkeit zusammengestellt ist, was vorzuziehen, eine ländliche Scene oder eine Festlichkeit in der Hauptstadt. Dort im Abendlichte der heilige Libanon, voll Schneefelder, voll Cedern und Steinböcke, das anmuthige Mittelgebirge mit den lieblichen Einzelnheiten wie sie die Alpenhöhen von Südtirol so nachahmenswerth darbieten, auf den sonnigen Auen Sennhütten, in schattigen Hainen Sommerfrischhäuser, wo das Leben zwischen Spadill und Rosenkranz sanft dahinfließt, Einsiedeleien für verkannte Seelen die dieser Welt zu fromm geworden, und unten in der biblischen Ebene eine Landschaft wie ein Park, Rosengebüsche unter uralten Bäumen, Wiesen und Wald von heimlichen Pfaden durchschnitten, Dörfer aus denen die grünen Spitzthürme himmeldeutend aufsteigen, am See die Fischerhäuser [380] und überall die rührigen Geschäfte des unschuldigen Landlebens – hier aber in der Stadt z. B. die drei Potentaten aus dem Morgenlande mit ihren Decorationen auf der Brust, König Melchior, der Weißbart, von Arabien und Nubien; König Balthasar von Godelia *)[1] und Saba; Caspar, der Mohr, ein König von Tharsis und Egriskylla, sämmtlich auf ihren Apfelschimmeln über den Residenzplatz courbettirend, nach Bethlehem zu, wo die neue Zeit in der Wiege liegt, voran die Läufer von Madian und Epha, hinterdrein unendliches Gefolge, die Ritter auf schäumenden Rossen, das reisige Gesinde auf Kamelen, Elephanten und Nilpferden; ferner Herodes auf dem Söller der gothischen Königsburg, umgeben von dem großen Cortege und seiner Schweizergarde, von Hohenpriestern und Schriftgelehrten, Zeichendeutern, Astrologen, Wunderdoctoren, von Derwischen aller Art, Herodes, der Conservative, etwas unangenehm berührt durch den Stern der Zukunft der über dem Lande steht, gleichwohl aber die drei weisen Souveräne, welche ihm nachgehen, listig becomplimentirend – auf den Balconen der Palazzi halbmaskirte Contessen aus Judäa, welche mit der mohrischen Ritterschaft und einem hohen Adel aus Nubien kokettiren; unzähliges Volk von Jerusalem in den verschiedenen malerischen Trachten die es damals trug – dieß Alles um Mittag betrachtet, wenn die dreizehn Thurmuhren nacheinander zwölf Uhr schlagen, während die hierosolymitanische Wachparade musicirend aufzieht und der Brunnen Davids in orientalischen Cadenzen niederplätschert – das muß seyn um zu vergehen vor lauter Sehnsucht nach dem Morgenlande!
Es ist schwer einem vertrockneten Herzen den Eindruck zu schildern, den diese geschnitzelte Poesie auf ein empfängliches Gemüth macht. Wer es nicht selber erlebt, der enthalte sich wenigstens aller Bitterkeit, und wenn etwa einer mäkelt daß sich da laut Beschreibung manch Unverträgliches [381] zusammenfinde, so belächelt ihn! In der Poesie gibt’s keine Anachronismen, nur die Wirklichkeit ist voll davon; für Autoritätsmenschen haben wir sogar den Trostspruch zur Hand daß schon die größten Baulichter der Gegenwart bewundernd vor der Krippe gestanden sind.
Wohin aber jetzt, um den mächtigen Eindruck ruhig auswirken zu lassen? So großartig schön der Thalkessel von Bozen auf allen Seiten ist, so fehlt doch jene angenehme Bequemlichkeit, seine Reize lustwandelnd einzuschlürfen, und jener leichte Zugang, der die Gegend von Meran doppelt anziehend macht. Außerhalb der Stadt, jenseits der Talferbrücke ist ein kurzes Lustwäldchen, wo an Sonntagen die Jägermusik aufspielt, zu gleicher Zeit ein Sammelplatz der schönen Welt; sonst ist in der Ebene wenig zu finden. Die Weingärten sind nach italienischer Sitte mit hohen Mauern umgeben die den Ausblick hindern, und zwischen diesen Wänden gehen die Wege durch in langweiligster Begleitung. Andrerseits steigen die Porphyrwände allenthalben steil hinan, so daß sie bei der Hitze der guten Jahreszeit nur in früher Morgenstunde und am späten Abend mit erträglichem Schweiß und Herzklopfen zu erklettern sind. Der mildeste solcher Steige etwa zieht zum Calvarienberge hinauf, wo das Kirchlein zum heiligen Grabe auf mäßiger Höhe über dem Eisack liegt; beschwerlicher schon ist das Aufklimmen nach dem alten Schlosse Haselburg oder Küepach, das jetzt allmählich zerbröckelt. Von beiden geht eine herrliche Aussicht über die Stadt hin, auf die Weinhügel von Kaltern und die rothe Mendel welche darüber aufsteigt, ins Meranerthal aufwärts und gegen die blauen Anfänge von Italien abwärts. Auf dieser Seite des Eisacks führt auch ein schmaler Pfad, zwischen Wasser und Berg eng sich hinwindend, nach dem Dörfchen Campill, eine halbe Stunde weit entlegen, wo in der alten Kirche alte Wandmalereien italienischer Schule zu sehen sind, die derselben Zeit angehören wie jene welche die stille Kirche St. Johann am obern Ende der Stadt ausschmücken. So viel uns bekannt, sind diese Werke alten etschländischen Pinsels von Kunstverständigen noch nicht [382] näher besprochen worden; sie sind unsers Bedünkens nicht später als im vierzehnten Jahrhundert gemalt.
Noch einen Spaziergang haben wir zu erwähnen, den lieben, einsamen Gang über die Wassermauer, an der Talfer von der großen Brücke hinauf bis zum Schlosse Klobenstein, jetzt St. Antoni genannt. Die Wassermauern sind in Tirol ein Ding das viel Sorge und viel Geld kostet, feste dicke Wehren gegen die tückischen Wildbäche, die zu einer Zeit so unschuldig vorbeimurmeln, in andern Tagen wieder mit vollem Rasen daherstürmen, menschenfeindlich, zerstörungslustig, fast unbezähmbar. Wie die Meraner ewig mit der Passer kämpfen, so die Stadt Bozen seit sie auf Erden ist, mit der Talfer. Das Bett des Baches liegt um einige Fuß höher als die Grundfläche der Stadt, und wenn jener einmal so viel Wasser aufbrächte um die Dämme zu überfluthen, so würde sich ein See durch die Gassen ausbreiten bis hinüber zum Eisack. Man behauptet dieses Flächenverhältniß habe sich erst mit der Zeit gebildet, indem die Talfer alle Jahre neuen Schutt aus dem Gebirge herauswälze und so ihr Bett fortwährend erhöhe; gleichwohl ist schon einmal vor sechshundert Jahren Graf Meinhard von Tirol auf den Gedanken verfallen, zum Schaden des Bischofs von Trient, der die Stadt inne hatte, die Wassermauer zu durchbrechen und die Talfer in die Straßen von Bozen zu senden; wonach man annehmen möchte daß es wenigstens damals schon so gewesen wie jetzt. Wie dem auch sey, die Erhaltung der Talferdämme liegt seit alten Zeiten verschiedenen Genossenschaften anwohnender Besitzer ob, welche sich nach dem romanischen Worte liga, lega Legen nennen.
Auf der Wassermauer hinauf ist also ein stiller Spaziergang, fern vom Staub der Straßen und die Aussicht ist offen nach allen Seiten. Herüben wieder Weingärten aus denen die Häuser der Stadt sich erheben, und das Schloß Maretsch, anziehend in alterthümlicher Einfachheit, mit gethürmter Ringmauer und einem Ziegeldache, gelb und schwarz geschacht; über dem Bache der schlanke, runde Thurm der „der gescheibte“ heißt und dessen Erbauung in die Zeiten gesetzt wird, als [383] Drusus und Tiberius die Rhätier unterjochten. Weiter draußen zeigt sich Gries, die Bozner Vorstadt, mit dem ehemaligen Chorherrenstift welches in römischen Zeiten eine feste Burg gewesen seyn soll, nunmehr aber den Benedictinern von Muri übergeben ist. Auch die alte gothische Kirche der Grieser ist zu beachten. Abwärts gegen Süden liegt die Eppaner Hochebene vor Augen mit ihren Burgen und Dörfern. Wer aber über St. Antoni, das eckig, zinnenreich und wehrhaft an dem Damme steht, weiter aufwärts geht, gelangt zum Schlosse Rendelstein und dann auf schattigem Wege, an rothen Felsen hin die das frischeste Grün übertäubt, nach Rungelstein zum alten Schlosse, das in unsrer Zeit wieder berühmt worden ist wegen seiner aus dem vierzehnten Jahrhundert stammenden Malereien, über die wir übrigens, da sie schon von Andern oft besprochen worden sind, nur bemerken wollen, daß sie die Geschichte von Tristan und Isolde und Darstellungen aus dem Sagenkreise König Artus bieten. In ersteren hat eine prüde Hand erst seit drei Jahren die Liebesscenen schamhaft überschmiert.*)[2] Die Burg steht auf schroffem Felsen über der [384] Talfer, in einer einsamen, von hohen Wänden überragten Heimlichkeit, die schauerlich wäre wenn nicht alles in der Runde, Gras und Baum und Stein so lebhafte Farben trüge, wenn nicht der Blick in das thurm- und häuserreiche Stadtgebiet die Nähe der Menschen zeigte. Innerhalb findet man ein halbwohnliches Haus das den Bauleuten zum Aufenthalte dient, und ferner sind noch etliche Kammern erhalten, dieselben nämlich in denen besagte Schildereien aufgemalt. Sonst klaffen die braunen Mauern in gräßlichen Breschen und langen Rissen von oben bis unten, gleichwohl mehr malerisch als schreckhaft, da überall und allenthalben Gewächs und Laub, Schlingpflanzen und Epheu darüber hinwachsen und aus den hohlen Fenstern neugierige Nußbäume schauen. Es ist bezaubernd aus der Burg hinaus in das warme Thal und aufwärts ins zerrissene Talferbett zu spähen, dort die Glückseligkeit des südlichen Himmels, hier der wilde Runst eines Bergbachs und die verfallenden Zeugen vergangener Jahrhunderte. Dieser Winkel sammt seinen Zugängen ist so stark besetzt mit Vesten als wäre es um die Bewachung eines unermeßlichen Horts zu thun gewesen. Maretsch, Klobenstein, Rendelstein, Rungelstein haben wir schon genannt; schauen wir nun gegen Sarnthal zu, so steht unten am Gries der Talfer das graue Schlößchen Ried und weiter hinten an der Felswand die schöne Ruine von Langeck, über dem Bache aber in schwindelnder Höhe, scharf abstechend vom blauen Himmel, erscheinen die weißen Mauern von Ravenstein, mit überlegenem Stolze herunterblickend vom erhabenen Söller, obgleich sich an den Namen keine ritterliche Erinnerung knüpft, derowegen es der Mühe werth wäre so vornehm darein zu schauen.
Zur wonnigen Zeit der Sommerfrische verlassen die Bozner gerne alle diese Schönheiten und reiten an der rothen Porphyrwand vierhundert Klafter hoch hinauf, um sich auf der kühlen Hochebene gütlich zu thun. Sie haben dort zwei größere Niederlassungen. Die eine, Oberbozen, liegt am Rande des Tafellandes, gerade ober der Stadt. Es ist eine liebliche frische Ansiedlung von Landhäusern unter großen Lindenbäumen. Die niedlichen Villen sind zierlich in ihre Gärtchen eingestellt, [385] und die Gärten selbst voll schöner Blumen. Da und dort findet man auch Lauben, beschattete Tische, anmuthige Gesellschaftsräume im Freien. Zum beliebten Bocciespiel sind glatte Bowling-greens eingerichtet und durch den nahen Wald führen ebene, bequeme Gänge. Vom Gloriett, vom Merltennen blickt der Sommerfrischler vergnügt hinunter in das heiße Thal und freut sich täglich, daß er nicht unten seyn muß. Die ständige Belustigung der Männer ist das Scheibenschießen und es knallt daher den ganzen Tag. Der Schießstand ist schon von Alters her sehr stattlich eingerichtet; er prangt mit Fähnlein und mit mancher sinnreich bemalten Scheibe, die schon bald im zweiten Jahrhundert dahängt. Von dieser Zeit her stammt auch das Schützenbuch, wo jedes „Best“ eingeschrieben ist, das seitdem die Schützen gegeben zur Feier ihrer Hochzeit, zur Geburt des ersten Buben, oder die geistlichen Herren, wenn ihnen eine neue Würde angewachsen. In demselben Raum wird auch der Ball gehalten zur Oberbozner Kirchweihe am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt. Dazu kommen dann die Sommerfrischler vom Ritten herüber und mancher Nachzügler aus der Stadt. Da tritt auch namentlich die sommerliche Gastfreundschaft der Bozner gewinnend an den Tag. Kaum ist der Fremde angekommen, ist er auch schon bekannt, kaum bekannt auch schon eingeladen zu Dach und Fach. In Oberbozen, sagt ein witziger Schilderer dieses Sommerlebens, in Oberbozen ist man gastfrei wie nirgends in der Welt, wie selbst nicht in Bozen.*)[3]
In einer Stunde gelangt man von Oberbozen nach Lengmoos und Klobenstein, in einer Landschaft, die der Ritten heißt. Nicht weit davon liegt auch das Wirthshaus zu Salrain, eine treffliche Herberge in dieser Höhe. Die meisten Sommerfrischhäuser finden sich zu Klobenstein, hart über dem Abgrund, der an den Eisack hinunterführt. Während die Aussicht von Oberbozen nach Süden geht, ist sie hier gegen Osten geöffnet.
[386] Die Gegend beherrscht der Schlern, ein Berg von höchst eigenthümlicher, prächtiger Gestaltung, welchen Lewald sehr glücklich einem ungeheuern ruhenden Wallfisch verglichen hat, der aus seinen Nüstern zwei dicke, achtausend Fuß hohe Wasserstrahlen in die Lüfte sendet. Der Schlern ist so zu sagen der Liebling der Bozner Gegend, und wird sehr häufig bestiegen. Neben ihm zeigt sich die grüne Höhe der Seiseralpe. Ueber dieser ragen die weißen Zacken der Dolomitgebirge von Gröden auf; rechts vom Schlern aber die wilden Gabeln aus den Thälern von Fleims und Fassa. Eine Reihe davon heißt der Rosengarten, was den Kennern der deutschen Sage Anlaß geben mag ihn mit dem König Laurin zu verbinden. Die schönste Ansicht dieses Gegenübers bietet das gastfreie Landhaus des Herrn Apothekers Haas, wo auch Fernröhre zur Hand sind, um die entlegenen Schönheiten näher herzuziehen. Der Ritten ist übrigens eine sehr buckelige Gegend, und die Spaziergänge sind daher bergig und mühsam. Man beschränkt sich auch gerne auf die nächste Nähe, und wenn weitere Ausflüge unternommen werden, so geschieht es meistens zu Pferde.
Eine sehr besuchte Stelle ist der Horn, eine Höhe, etwa dritthalb Stunden von Klobenstein gelegen mit einer unermeßlichen Rundsicht auf die Bergzüge, welche das Flußgebiet des Eisacks und der Etsch umzäunen. Eine Fahrt auf den Horn wird mit aller boznerischen Behaglichkeit unternommen. Die Träger schleppen schwere Lasten von Mundvorrath und Wein. Auf allen schönen Plätzen wird getafelt und die Mühsal so sorgfältig in Erholung eingehüllt, daß fast nichts von ihr zu spüren.
Die Landhäuser auf dem Ritten und zu Oberbozen sind gewöhnlich denen, die dort die Sommerfrische zubringen, eigenthümlich. Jene Stadtleute, denen ein solcher Besitz versagt ist, genießen ihre Sommerluft an Orten, wo ihnen Miethwohnungen zu Diensten stehen. Dergleichen sind Jenesien, ein lustiges Bergdorf auf der Hochebene jenseits der Talfer oder Kollern, Oberbozen gegenüber, jenseits des Eisacks. Während der ganzen Zeit kommen die Frauen selten oder nie zur Stadt, die Männer nur, wenn dringende Geschäfte sie rufen. Der [387] Verkehr wird durch die Träger unterhalten, welche täglich auf- und abgehen.