Frau Emma Hellenstainer und ihre Zeit – Gute Nerven

Gebeugt durch die Last der Jahre war Emmas Rücken, nicht aber ihr Frohsinn, ihr goldiger Humor, ihre Arbeitsfreudigkeit. Wenn in Meran weilend, hatte sie in der Pension Stadt München ihren kleinen Gemüsegarten, den sie selber zu pflegen liebte. Sie machte sich morgens das Bett selbst; kam sie in der Früh von der Kirche heim, so ging’s ans Spinnrad. Und der Refrain zu ihren Gesprächen: Wenn’s nur alle alten Leute so gut hätten, wie ich. —

Aber es kam noch einmal eine Prüfung über sie, man möchte sagen, weniger über sie als über ihre Angehörigen. Es zeigte sich nach und nach unter dem Arme eine Neubildung, die keinem Hausmittel weichen wollte. Ein im Hotel wohnender Arzt, Primarius einer Heilanstalt in Bremen, wurde zu Rate gezogen. Er erklärte, eine Operation sei unbedingt notwendig, er würde sie nicht selbst vornehmen, das sollte eine Meraner Kapazität tun; er würde dabei sein und es so arrangieren, dass es im Hause gemacht werden könnte, nicht in der Heilanstalt. Frau Emma als vernünftige Frau war einverstanden. Er sagte, gefährlich sei es nicht, doch immerhin ratsam, die heiligen Sakramente zu empfangen. Der Tag der Operation war angebrochen, um zehn Uhr sollten die Ärzte kommen, aber wo ist die Patientin?

Aus der Kirche ist sie längst zurück; man sucht in größter Aufregung, voran Schwester Almira, die Krankenpflegerin. Da ruft das Zimmermädchen vom zweiten Stock herab: „Ich sehe Frau Emma im Garten Salat setzen“. Die Schwester stürzt auf sie los. „Ja, ja, Schwester, ich komme, gleich bin ich fertig. Beinah’ hätte ich darauf vergessen!“ Nun wird sie von den Ärzten in Empfang genommen. Kaiserlicher Rat Dr. Rochell richtet vor der Narkose, um sie vollends zu beruhigen, einige Scherzworte an sie, welche die allzeit Schlagfertige treffend erwidert. Musste eine solche Operation nicht gelingen? Schon am nächsten Tage war sie auf, denn so wollten es die Ärzte, obwohl ihr nun nicht mehr zum Scherzen war. Doch wurde sie wieder vollkommen hergestellt und konnte sich noch fast zehn Jahre ihres Lebens freuen.

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Veröffentlicht von josefauer.com

Archivbilder und Genealogie

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