Die Mutter des heiligen Petrus

Der heilige Apostel Petrus hatte eine Mutter, die ihm wenig gleich sah. Sie war ein böses, geiziges Weib, das keinem Menschen auch nur das kleinste Gute erwies oder vergönnte. Nichts ließ sie sich selber entgehen; nur ein einzigesmal, als sie Salat im Brunnen wusch, trug ihr das Wasser ein Blatt davon; da ließ sie es schwimmen und sagte: “Schwimm zu in Gottes Namen!”

Als sie nun starb, durfte sie nicht ins Himmelreich eingehen, weil sie so neidig und habgierig gewesen war. Aber St. Petrus, der große Apostel, trug Leid um seine Mutter und bat den lieben Herrgott mit Fleiß: er möchte sie doch in die ewigen Freuden aufnehmen. Unser Herrgott antwortete ihm: “Wenn deine Mutter in den Himmel kommt, so mag jedermann hineinkommen; von Gerechtigkeit wegen geht es nicht an.”
Sankt Petrus jedoch, als ein frommer Sohn, ließ und ließ nicht nach; er bat so inständig als er vermochte: “Ach Herr, ich finde nicht Ruhe, wenn meine Mutter nicht bei mir im Himmel sein darf.”

Der Herr sprach: “Peter, deine Mutter hat in ihrem Leben fast nichts Gutes getan oder gedacht. Einmal nur, wie sie am Brunnen Salat wusch, ist ein Blatt ihr fortgeschwommen: das hat sie geschehen lassen und gesagt: “Schwimm zu in Gottes Namen!” Wenn du sie nun an dem einen Salatblatt in den Himmel emporziehen kannst, so darf sie darin bleiben.”

Petrus dankte dem Herrn und nahm das Blatt. Er reichte das Blatt zu seiner Mutter hinab und hieß sie, sich daran hängen – so wollte er sie in den Himmel hinaufziehen. Die Seele der Mutter hing sich an das Blatt und Petrus zog.

Da sahen es andere arme Seelen von Verstorbenen, daß eine von ihnen an dem Salatblatt emporschwebte, und hatten übergroße Sehnsucht, ihr nachzufolgen. Also hingen sie sich auch mit an, so daß der Apostel Angst bekam: das Blatt möchte reißen. Das Blatt hielt aber fest, und er zog und zog, und ob sich gleich immer neue Seelen daran hingen, war das Blatt schon ganz hoch droben.

Die Seele der Mutter aber schaute sich um und sah, wie viele Seelen an dem Salatblatt hinaufgezogen wurden. Da ward sie voll Bosheit und Mißgunst, daß noch andere mit ihr zugleich in den Himmel wollten, und sie stieß und schüttelte die angeklammerten Seelen von sich ab.

Da sah unser Herr den heiligen Petrus traurig an. Und im gleichen Augenblick riß das Blatt, und die Seele von Petrus Mutter stürzte in die Tiefe. Nun ist sie vom Himmel ausgeschlossen bis an den Jüngsten Tag.

Quelle: Raff Helene, Tiroler Legenden, Innsbruck 1924, S. 63

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Veröffentlicht von josefauer.com

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