Die heilige Hedwigis

Der Vater der vielbelobten heiligen Hedwigis war Berthold, aus dem Geschlecht der Grafen von Andechs, das dazumal an Reichtum und Ehren wetteiferte mit den Wittelsbacher Herzogen. Berthold führte durch kaiserliche Belohnung den Titel eines Herzogs von Meranien, Markgrafen zu Istrien, zu Kärnten: er gebot in Kärnten, im südlichen Tirol – dem größten Teil der Gebiete, die heute vom Mutterlande losgerissen sind. Ob Hedwigis auf dem alten Stammschloß Tirol, da ihr Vater öfters Hof hielt, geboren worden, hat sich nicht erweisen lassen; geweilt hat sie dort sicherlich.

Hedwigis wuchs auf neben vielen Geschwistern, alle geschmückt mit äußeren und inneren Gaben; die Brüder erbten später des Vaters reiche Lande, wahrend zwei der schönen Schwestern Königskronen gewannen durch ihre Vermählung. Hedwigis aber hatte, wie nachmals ihre Schwestertochter, die hl. Elisabeth von Ungarn, schon als Kind mehr Freude am Wohltun denn am Spiel. Die Liebe zum Gekreuzigten war ihr stärkstes Gefühl; um seinetwillen spendete sie von allem, was ihr geschenkt ward, den Armen.

Im Kloster Anhingen in Franken, wo eine ihrer Verwandten Äbtissin war, genoß das fürstliche Kind Unterweisung und Zucht; darnach, als sie erst zwölf Jahre zählte, gaben die Eltern sie dem Herzog Heinrich von Schlesien und Polen, zubenannt der “Gebartete” in die Ehe. Die junge Braut folgte ihm willig in das ferne, so viel rauhere Land und ward ihm eine treue Gesponsin, schenkte ihm auch im ersten Jahrzent der Ehe drei Söhne und drei Töchter. Darnach gelobten beide Gatten Enthaltsamkeit, die hielten sie noch dreißig Jahre, so lange Gott sie beieinander ließ.
Die junge Herzogin war ihren Kindern, aber auch ihren Untertanen und ihrem Hausgesinde die liebreichste Mutter. Sie schalt und zankte nie, wenn ein Versehen vorfiel oder etwas Unliebes ihr von anderen widerfuhr; höchstens sagte sie: “Mein, warum hast du das getan?” Bei aller Milde aber hielt sie auf christliche Sitten in ihrem Hause; zumal litt sie nicht, daß etwa eines von ihren Dienstleuten über das andere lästerte, denn das Ehrabschneiden war ihr vor allen Dingen zuwider. Sie selbst sprach kein hartes Urteil über irgend einen; vielmehr kehrte sie ihre ganze Strenge nur gegen sich. Im kältesten Winter trug sie kein Pelzwerk, sondern ging im einfachen leichten Kleid zur Kirche, meist auch barfuß. Die Schuhe trug sie in den Händen oder unterm Arm, um sie gleich anzuziehen, wenn jemand käme. So tat sie auch, als ihr Beichtvater ihr neue Schuhe gab und ihr gebot, sie zu tragen; da redete sie sich hernach aus, daß sie ihm ja gehorcht und die Schuhe getragen hätte, nur nicht an den Füßen.

Einmal, als sie gar lang bei großer Kälte dem Gebet in der Kirche oblag, wurden dem Kammerfräulein, das sie begleitete, die Füße so kalt, daß sie meinte, es nimmer aushalten zu können und dies der Herzogin klagte. Da hieß Hedwig sie die kalten Füße in ihre, der Herzogin Fußstapfen stellen und alsbald ward das Kammerfräulein von einer linden Wärme durchströmt.

Ein andermal, als Hedwig bei ihrem Gemahl war verklagt worden, daß sie sich des Weins völlig enthielte und eitel Wasser tränke, erzürnte sich Herzog Heinrich darob und deuchte es ihn eine unmäßige Strenge einer so zarten Frau gegen sich. Er nahm, ohne daß sie sich dessen ver. sah, ihren eingeschenkten Mundbecher vom Tische und kostete; aber was er verkostete, war der beste Wein, ob Hedwig gleich nur Wasser eingeschenkt hatte. Also wurden die Ankläger beschämt.

In all der Zeit, da Hedwig eine reiche Fürstin war, enthielt sie sich gänzlich des üppigen Essens. Niemals genoß sie Fleisch, fastete jeden Tag mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, an Mittwochen und Freitagen nahm sie nichts zu sich, als etwas Wasser und Brot, das Brot noch mit Asche bestreut. Wenn sie aber an ihres Eheherren Tafel mit fürstlichen Gästen saß, wußte sie auf gar anmutige Weise sich zu stellen, als äße und tränke sie nach Herzenslust. So kleidete und schmückte sie sich auch, wie es ihr Stand erforderte, aber ohne alle Hoffart, nur eben so viel, als sich ziemte. Darnach, da sie in noch jungen Jahren das Gelübde der Enthaltsamkeit abgelegt hatte, tat sie kein buntes oder prächtiges Gewand mehr an, sondern trug ein einfach graues Kleid, und das erst, wenn es eine ihrer Frauen eine Zeit getragen hatte. Im Kloster zu Trebnitz, das ihr Gemahl auf ihre Bitten gestiftet hatte und in dem sie ihr Leben beschloß, ging sie so dürftig gekleidet, daß der Schwestern eine drob ungeduldig ward und sprach: “Herrin, wie lange geliebt es Euch, dies Kleid zu tragen? Ich will es Euch abziehen und einem Armen geben.” Worauf ihr die demütige Herzogin zur Antwort gab: “Wenn es Dich ärgert, so will ich es gleich gut machen.” Alsbald tat sie das alte Gewand von sich und ließ sich ein anderes anziehen.

Sie schlief auf hartem Lager und geißelte sich oft und schwer. Aber nicht kam ihr in Sinn, sich deshalb für heilig zu halten; vielmehr sah sie sich für eine Sünderin an. Dagegen nahm sie Güte und Frömmigkeit, die sie an anderen gewahrte, sich so zu Herzen, daß sie öfter den Boden küßte, wo solche von ihr Verehrte gestanden oder gekniet hatten. Allen geistlichen Personen bewies sie große Ehrfurcht; den Dürftigen und leidenden diente sie mit freudiger Demut. Wie sie in ihrem Hause jeden Erkrankten liebreich pflegte, so ging sie auch zu fremden Kranken und Armen, um sie zu warten, zu beschenken, ihre Wunden sorgsam und ohne Scheu zu verbinden. Im Andenken an den Heiland und seine Apostel hatte sie dreizehn Arme täglich bei Tische; die bediente sie zuerst, ehe sie selbst sich zum Mahle niedersetzte. Nur den Hundertsten Teil dessen, was der Herzog ihr reichen ließ, verwendete sie für sich und ihren Hofhalt; alles übrige gab sie der Armut hin. Den ihr zinsbaren Untertanen ließ sie den Zins freiwillig nach, sodaß einer ihrer Getreuen sie ermahnte: sie würde bei so geringen Einkünften sich und ihr Haus nimmer erhalten können. Hedwigis aber sprach fröhlich: “Gott wird uns Vorsehung tun.” – Ihren Beamten hatte sie streng befohlen, mit den Untertanen gütig und nachsichtig zu verfahren.

So wie der Kranken und Armen erbarmte Hedwig sich auch der Gefangenen. Sie schickte ihnen Speise und Trank zur Erquickung, auch warme Kleider und Decken zum Schutz gegen die Kälte und dichter, um das Dunkel ihres Kerkers zu erhellen. Solche, die Schulden halber eingetürmt waren, löste sie aus; anderen, zumal denen, die sich gegen den Herzog selbst verfehlt hatten, erwirkte sie öfters die Freiheit, indem sie ihrem Eheherren zu Füßen fiel und ihn mit Tränen um Gnade für jene bat.

Einmal ward ein bösartiger Mensch, auf den wegen verschiedener Missetaten gefahndet worden, gefangen eingebracht. Der Herzog befahl, daß er nächsten Morgens in aller Frühe gehenkt würde, bevor seine Gemahlin es erführe – denn er sorgte, Hedwig möchte ihn nach ihrer Weise losbitten. Die Diener verstanden den Willen ihres Herrn: sie henkten den Verbrecher sobald es tagte, ließen ihn dann am Galgen und gingen heim. Hedwig ward dessen erst inne, als sie aus der Kirche kam: sie begegnete dem Herzog und machte ihm, da sie den Hergang erfuhr, Vorwürfe; zugleich bat sie inständig, daß er ihr den Gerichteten schenke. Der Herzog, vom Tode des Verbrechers überzeugt, sprach zu ihr: “Du magst ihn haben, ich schenk ihn dir.” Alsbald sandte Hedwig einen ihrer vertrautesten Hofbeamten auf den Richtplatz, daß er den Gehenkten womöglich noch am Leben träfe und ihr brächte. Der Mann – ihr Majordomus – versetzte: das verlohne sich nimmer, denn der Übeltäter sei schon vor Tag gehenkt worden und also ganz sicher ein Leichnam. Die heilige Fürstin aber bestand auf ihrem Willen; da ging er unlustig hin und nahm seiner Herrin zum Schimpf einen Wagen mit, darauf er den Toten legen und ihr zum Beweis ihres unnützen Befehls vor Augen fahren wollte. Als er nun zum Galgen kam und den Strick durchschnitt, siehe: da war zu seinem und aller Staunen der Gehenkte noch lebendig und er brachte ihn unversehrt der Herzogin. Durch dies Wunder, das Gott zu Ehren seiner treuen Magd gewirkt hatte, ward dem Sünder Zeit zur Buße gelassen, denn er belehrte sich darnach. Der Herzog aber, gerührt von dem Wunder, befahl, daß wo seine Frau fortan an einem Gefängnis vorbeigehen würde, ihr zu lieb die darin Gefangenen frei sein sollten.

Es hat auch Herzog Heinrich selbst die Macht ihrer Fürbitte genossen. Denn als er in den Krieg gezogen war wider einen Fürsten, mit dem er einen Erbstreit hatte, traf ihn das Mißgeschick, verwundet und gefangen zu werden. Hedwigis nahm die böse Zeitung mit Geduld auf und sprach ihr festes Vertrauen aus, daß ihr Herr genesen und heimkehren werde. Aber der Gegner gab ihn trotz gebotener hoher Lösung nicht frei, sodaß die Untertanen beschlossen, auszuziehen und mit Gewalt ihren Herzog zu befreien. Das ließ Hedwigis nicht zu, sondern machte sich selber auf zu dem feindlichen Fürsten und bat ihn um die Losgabe ihres Gatten. Da ward der Fürst so von ihren Worten und ihrem Wesen bewegt, daß er ihren Ehegemahl alsbald freigab.

So wie die Fürbitte der heiligen Frau Wunderbares bewirkte, war ihr auch das Zukünftige und Verborgene offenbar. Sie sagte den Hinscheid ihres Eheherrn, des Herzogs, zuvor, trug auch darnach die Trauer um ihn, dem sie vierzig Jahre vermählt gewesen, sanft und geduldig, mahnte sogar ihre Umgebung, die laut und heftig jammerte, zu gefaßter Ergebung. Ebenso sah sie prophetischen Geistes vorher, daß ihr wackerer Sohn Herzog Heinrich II., noch glücklicher in der Herrschaft und im Felde als sein Vater, nimmer aus seinem siegreichen Heereszug gegen die Mongolen heimkehren werde. Als er dann in der Schlacht bei Leibnitz gefallen war, dankte sie Gott, der ihr einen solchen Sohn gegeben und ihn gewürdigt hatte, im Kampfe gegen die Feinde des Kreuzes zu sterben; seiner Witwe aber, der Herzogin Anna, die ihres beides kein Ende wußte, stand sie liebreich und tröstend bei.

Nach dem Tode ihrer sieben wandte St. Hedwig vollends ihren Sinn von den irdischen Dingen ab, den ewigen zu. So richtete sie auch bei Tag wie bei Nacht oftmals die Augen zum Himmel empor, versunken in die Herrlichkeit der blauleuchtenden Himmelswölbung oder der nächtlichen Sternenpracht. Dabei war sie so erfüllt von sehnender Gottbetrachtung, daß der Abglanz des Göttlichen sich nicht nur ihrer Seele, sondern auch ihrem Leibe mitteilte; denn sie schien denen, die in ihrer Nähe waren, von hellem Licht umflossen und von der Erde schwebend hochgehoben zu sein. Boguslas Sanonius, einer ihrer Diener, sah sie während des Gebets so von Glanz umgeben. Desgleichen sah eine Nonne in der Klosterkirche zu Trebnitz, die verborgen zuschaute, wie Hedwig allein im Gebete vor dem Gekreuzigten kniete, daß der Heiland seine Rechte vom Kreuzesstamm löste und segnend über die Herzogin erhob. Als Hedwigis zu sterben kam, nahmen die bei ihr waren, mit heiligem Schauer wahr, daß sich das Sterbegemach mit himmlischen Gestalten füllte, die Hedwigens Seele heimholen wollten. Sie verschied selig am 17. des Weinmonats. Während sie zuletzt von Krankheit und Bußwerten blaß und entstellt ausgesehen, ward sie nach dem Tode weiß und rot von Farbe und lieblich anzusehen, wie eine Braut.

Quelle: Raff Helene, Tiroler Legenden, Innsbruck 1924, S. 99

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Veröffentlicht von josefauer.com

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