Die Archive Tirols

Vorbemerkungen

Die k. k. Central-Commission wurde vom unterfertigten Conservator in Angelegenheiten der III. Section für Tirol und Vorarlberg auf die zahlreichen kleineren Kirchen, Gemeinden und Privaten zugehörigen Archive aufmerksam gemacht, welche noch allerlei historisch interessantes Material bergen, aber noch fast gar nicht durchforscht und ausgebeutet sind. Die Central – Commission beschloss auf diese Anregung hin probeweise eine Reihe solcher Archive durchforschen zu lassen und beauftragte damit die beiden Unterfertigten. Das Ergebniss dieses Versuches bewog die Central – Commission die Inspection auf alle ähnlichen Archive des Landes auszudehnen und die Früchte dieser Inspection in den Mittheilungen zu publiciren.

Wir legen nun die Resultate der 1886 und 1887 unternommenen Inspectionen vor; zuvor möge es gestattet sein Zweck und Umfang des Unternehmens noch etwas näher zu kennzeichnen.

Es handelt sich, wie schon erwähnt, darum, den Inhalt der kleineren noch unerforschten Archive bekannt zu machen. In erster Linie solche öffentlicher Corporationen: die Kirchen- und Gemeinde archive. Ausgeschlossen blieben dagegen grössere unter geregelter Leitung stehende, deren Inhalt schon beschrieben und mehr oder minder publici iuris ist, wie Klosterarchive, Archive der k. k. Oberbehörden, der Städte mit eigenem Statut. Aber diese Grenze durfte nicht pedantisch festgehalten werden. Wir haben ohneweiters auch Kloster- oder Gerichtsarchive einbezogen, wenn eine besondere Veranlassung vor lag, wie z. B. bei Kloster Gries, wo es zu constatiren galt,

inwieweit die Archivalien des alten Chorherrenstiftes vom Rentamt dem jetzigen Benedictinerkloster restituiert wurden, oder beim Archiv des k. k. Bezirksgerichtes Klausen, welches – auch das Archiv der Gemeinde Villanders enthalten sollte.

Bezüglich der kleinern Kirchen- und Gemeindearchive wurde Vollständigkeit erstrebt und bis auf einzelne durch Zufälle hervorgerufene Ausnahmen auch erzielt.

Ebensowenig durchforscht wie die besprochene Classe von Archiven und ebenso sehr näherer Untersuchung werth sind freilich auch die Archive vieler Privaten, insbesondere altgesessener grosser Familien. Nach Thunlichkeit haben wir auch diese in den Bereich unserer Inspection gezogen, soweit zufällige Kenntnis von deren Existenz und persönliche – oft sehr weitgehende – Liebenswürdigkeit der Eigenthümer uns dieselben zugänglich machten. Wir hoffen auch für die Zukunft picht umsonst an den Gemeinsinn und das Interesse für die vaterländische Geschichte seitens aller Besitzer alter Archivalien zu appelliren!

Bei Durchforschung des Inhaltes dieser Archive war auf die verschiedenen Zweige historischer Forschung Rücksicht zu nehmen. Der Landesgeschichte mögen zunächst die daselbst aufbewahrten ältern Urkunden und Acten zu gute kommen; der Kunstgeschichte Documente, welche über Erbauung oder Einweihung von Kirchen und Altären sprechen, alte Kirchenrechnungen und Contracte über Ausführung von Kunstwerken; der Rechts- und Culturgeschichte dienen Rechtsaufzeichnungen wie Weisthümer und Processe, ferner ältere Rechnungen, Urbare u. s. w.; alle diese Quellen endlich werden hoffentlich auch dem Namenforscher nicht unwichtiges Material bieten… In gleicher Weise wie bei der Durchforschung suchen wir nun auch bei der Publication all diesen wissenschaftlichen Disciplinen gerecht zu werden.

Den verschiedenen Bedürfnissen entsprechend wechselt die Ausführlichkeit. Wir brauchen nicht erst darzulegen, dass den breitesten Raum die Urkunden einnehmen müssen. Es wurde als Regel betrachtet, alle Urkunden bis zum Jahre 1450 einzeln zu registriren, nach dieser Zeit nur mehr solche, welche grösseres Interesse beanspruchen können. Freilich liess sich das, sowie auch ‘manche andere Normen nicht in jedem Fall consequent durchführen. Drängte die Zeit, welche für. Durchforschung eines einzelnen Archives zu Gebote stand, musste man auf Verzeichnung belangloser. Urkunden auch aus früherer Zeit verzichten; bei der probeweisen Inspection des ersten Jahres war überhaupt das Jabr 1400 als Grenze aufgestellt worden, wurden weniger Urkunden nach dieser Zeit verzeichnet als später geschah. Der Satz „Experientia docet“ erwahrt sich eben auch hier.

Bei den anderen Materien konnte man sich kürzer fassen. Die neu oder in besseren Handschriften aufgefundenen Weisthümer, deren eine ganz erkleckliche Zahl ist, wurden den Herausgebern der tirolischen Weisthümer übermittelt und werden in dem Supplementband jener Publication ihren Platz finden. Bei Serien von Urbaren und Rechnungsbüchern genügte es im allgemeinen das Anfangsjahr zu notiren, wo möglich die Vollständigkeit der Reihe anzuführen; wenn welche durch Alter. oder Inhalt’ hervorragten, wurden wohl auch nähere Details über Datum Titel und Format angeführt, lediglich um die Auffindung derselben zu erleichtern. Den Inhalt dieser Documente auszubeuten, lag dem Zwecke dieser Publication gänzlich ferne, : welche blos einen Wegweiser durch die kleinern ‘ tirolischen Archive bilden soll.

Reihenfolge und Einrichtung dieser Berichte steht im engsten Zusammenhang mit Gang und Art der Inspection. Die k. k. Central-Commission befand aus praktischen Gründen, dass dieselbe in Nord-, und in Südtirol gleichzeitig durchzuführen sei; die Berichte aus Südtirol stammen vom Erstunterzeichneten, jene aus Nordtirol vom Zweitunterzeichneten, Jeder von uns ist für den Inhalt seines Theiles allein und voll verantwortlich.

Innerhalb dieser engern Grenzen bilden die Bezirk-gerichte, deren-Grenzen meist mit denen der kirchlichen Dekanate zusammenfallen, die Gliederung, nach welcher die Inspection fortschreitet. In der Reihenfolge der Bezirksgerichte soll die geographische Ordnung möglichst eingehalten werden und sich zugleich an die historische und volksthümliche in Etschthal, Vinstgau, Pusterthal etc.; Oberinnthal, Unterinnthal, Wippthal etc. anschliessen. Eine gewisse Freiheit müssen wir uns freilich auch nach dieser Richtung wahren; es schien z. B. innerlich gerechtfertigt, die zum Bisthum Trient gchörigen Bezirke Klausen und Kastelruth in unmittelbarer Verbindung mit dem Etschland zu bringen. Innerhalb der einzelnen Bezirksgerichte erschien es praktischer die Orte in alphabetischer Reihenfolge anzuführen.

Leider ließ sich ebenfalls aus praktischen Rücksichten, die hier nicht erörtert werden können, eine durch getrennte Paginierung markierte Sonderung der Berichte über Nord- und Südtirol nicht durchführen. Es muss also darauf verzichtet werden, einen zusammenhängenden Archivwegweiser für Nordtirol und einen ebensolchen für Südtirol zu bieten; doch sollen Übersichten und Indices am Schluss der Arbeit diesem Mangel, dessen Bedeutung wir uns ganz bewusst sind, möglichst abhelfen.

Die Regesten der bei ihrem Fundort aufzuführenden Urkunden haben wir fortlaufend nummeriert, um durch eine chronologische Tabelle am Schluss des Wegweisers die nötige Übersicht herstellen zu können. Abdrücke oder längere Auszüge der von uns hier registrierten Urkunden haben wir jedes Mal angemerkt, auf mehr oder minder vage Erwähnungen solcher Urkunden konnte dagegen nicht Rücksicht genommen werden.

Nachträge sind bei solchen Unternehmungen unvermeidlich, wir gedenken sie gruppenweise an passendem Orte einzuschalten.

Innsbruck, im Juli 1887.

Dr. Emil von Ottenthal, Conservator der k. k. Central-Commission,

Dr. Oswald Redlich, Correspondent der k. k. Central-Commission.

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Autor

Veröffentlicht von josefauer.com

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