Gschnitz 2017, Gedenktafel Franz Schafferer

Ansicht aus der Kirche von Gschnitz mit der Gedenktafel zu Ehren von Franz Schafferer, Priester in Pozuzo.

Der Text der Gedenktafel lautet wie folgt:

Diese Gedenktafel sei jenen Landsleuten gewidmet, die aus wirtschaftlicher Not zu Auswanderern wurden. Sie soll ein ehrendes Andenken sein an Franz Schafferer, diesen bedeutenden Sohn der Gemeinde Gschnitz, der als opferbereiter Priester seine Seelsorge jenen Tiroler Wirtschaftsflüchtlingen widmete, die sich dank seiner tatkräftigen Unterstützung in der Isolation einer tropischen Wildnis eine neue Heimat aufbauen konnten.

Franz Schafferer

Geboren am 14. Jänner 1869 in Gschnitz, Tirol, als zweiter Sohn von Matthäus Schafferer, Bauer in Gschnitz, vulgo ,,Erhartler”, und Gertraud Egger.

Franz Schafferer war Seelsorger der Auswanderergemeinde Pozuzo im südamerikanischen Land Peru. Als Mitarbeiter und Nachfolger des gebürtigen Innsbruckers Josef Egg, des ersten Pfarrers und faktischen Gründers von Pozuzo, wurde Franz Schafferer aus Gschnitz zu einer markanten Führungsfigur dieser im tropischen Regenwald gelegenen Kolonie nicht nur in geistlichen, sondern auch in vielen weltlichen Dingen.

1895 reist Franz Schafferer auf Anregung von Dekan Albert von Hörmann nach Pozuzo, wo er sich als Seelsorger und Lehrer, als Tischler, Schmied und Brückenbauer, Heilkundiger und Unternehmer einen Ruf erwirbt, der bis heute unvergessen blieb. Er baut mit Wasserkraft betriebene Werkstätten, ist für die Feueresse seiner Schmiede auch sein eigener Köhler und bezeichnet sich selbst als ,,Seele aller industriellen Unternehmungen auf weite Umgebung“. Durch ihn erlebt Pozuzo einen Modernisierungsschub im Hausbau, bei Möbeln und Arbeitsgeräten.

Schafferer wird Direktor der 1899 in Pozuzo von einer in Lima ansässigen deutschen Firma erbauten Kokainfabrik. 1901 gründet er die von den Kolonisten Vereinladen“ genannte Genossenschaft Mutuos Auxilios: Auswärtige Waren werden von Maultierkarawanen nach Pozuzo gebracht und dort am Sonntag nach der Messe verkauft oder an die Kautschuk-Sammler im nahen peruanischen Amazonien weitervermittelt. Schwere wirtschaftliche Rückschläge erleidet die Kolonie durch den Konkurs der erwähnten Firma 1906, die schwere Malariaepidemie der Jahre 1907-09 sowie das Ende des Kautschukbooms um 1910.

Franz Schafferer, gradlinig und tatkräftig, ist auch als Seelsorger äußerst pflichtbewusst, scheinchristliche Frömmelei verabscheut er jedoch. Im Gegensatz zu Josef Egg ist ihm ein Heimaturlaub vergönnt. Als er 1924 nach 30 Jahren Leben im Regenwald wieder nach Europa kommt, findet er, dass es dort zu viele Leute und zu wenig Bäume “gebe.

Franz Schafferer stirbt in Pozuzo im November 1936. Er war Weltpriester und „Kolonistenpfarrer“ ohne explizite Missionsaufgaben. Dass Pozuzo trotz unüberwindlich scheinender Schwierigkeiten zu einer gut funktionierenden Urwaldkolonie wurde, hat es nicht zuletzt dem nachhaltigen Wirken von Pfarrer Franz Schafferer zu verdanken.

Geschichte einer Auswanderung im Jahre 1857

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts bestand in Tirol und Deutschland eine hohe Auswanderungsbereitschaft. Viele Menschen konnten trotz härtester Arbeit kaum überleben. Die einsetzende industrielle Massenproduktion machte viele zu Modernisierungsverlierern. Dieses strukturelle Armutsphänomen (Pauperismus) wurde nach dem Revolutionsjahr 1848 noch größer, als der verschuldete absolutistische Staat seine Steuerpolitik verschärfte, was die Armsten am härtesten traf.

Da tauchte 1856 plötzlich ein Baron aus Hessen auf, der in der Tiroler Schützenzeitung verkünden ließ, er habe in Peru an brave Katholiken eineinhalb Millionen Morgen fruchtbarstes Ackerland zu verteilen. Jenes erst wenige Jahrzehnte zuvor von Spanien unabhängig gewordene Land setzte zur Überwindung seiner kolonialen Wirtschaftsstrukturen auf europäische Einwanderer. Gleichzeitig sollte mit der katholischen Einwanderung nach Südamerika ein Gegengewicht zur vorwiegend protestantischen Einwanderung in Nordamerika geschaffen werden.

In Deutschland hatte man mit ähnlichen Projekten schon schlechte Erfahrungen gemacht, weshalb der von der peruanischen Regierung beauftragte hessische Agent mit seiner Werbung in Tirol erfolgreicher war als im eigenen Land. Es meldeten sich auch groBe Familien, manche Kinder noch im Säuglingsalter. Schließlich waren es rund 180 Personen aus Tirol und 120 Rheinländer aus Rheinland-Pfalz, die am 27. März 1857 im Hafen von Antwerpen zusammen mit dem Tiroler Priester Josef Egg den dreimastigen Frachtsegler ,,Norton “bestiegen. Diesem ersten Transport hätten ursprünglich noch viele weitere folgen sollen.

Fast vier Monate später kamen die Auswanderer in Peru an, wo jetzt ein gewaltiger Marsch über hohe Gebirgszüge begann. Denn das ihnen zugedachte Siedlungsgebiet lag nicht an der Küste, sondern jenseits der Anden am Rande des peruanischen Amazonien. Dieser Weg, der zahlreiche Opfer forderte, dauerte zwei Jahre und endete am 25. Juli 1859. Bis heute wird der 25. Juli festlich begangen. In Pozuzo nennt man diesen Tag des Hl. Jakobus, des Patrons der Pilger, den ,Kolonistentag“. Er erinnert alljährlich an eines der spektakulärsten Ereignisse europäischer Migrationsgeschichte, und die gebürtigen Tiroler Josef Egg und Franz Schafferer gehören zu den großen Helden, von denen diese Geschichte erzählt.

Verein Freundeskreis für Pozuzo”, Silz 2017

Bildnachweis: josefauer.com / Historische Bilder, Ansichtskarten und Fotografien

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Veröffentlicht von josefauer.com

Archivbilder und Genealogie

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