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Das Alte Innsbruck
neu präsentiert
Tauchen Sie ein in die Vergangenheit und entdecken Sie die Stadt Innsbruck in historischen Bildern und Ansichten. Eine Zeitreise in Fotografien!
Natur.Heimat.Kultur.
Tauchen Sie ein in die Vergangenheit und entdecken Sie die Stadt Innsbruck in historischen Bildern und Ansichten. Eine Zeitreise in Fotografien!
Die Reichenau spielte in den 1930er- und 1940er-Jahren eine wichtige Rolle für die Abfallentsorgung der Landeshauptstadt Innsbruck.
Im Tiroler Anzeiger vom 21. Juli 1936 findet sich diesbezüglich ein aufschlussreicher Artikel zum Thema „Innsbrucker Mullabfuhr – einst und jetzt!“. Der Innsbrucker Hausmüll wurde am Sillspitz in der Reichenau jeden Tag einfach in den Inn gekippt:
„Der viele Kehricht, der in den tausenden Innsbrucker
Haushaltungen täglich „produziert“ wird, wird durch
die städtischen Kehrichtautozüge in der Hauptsache zum
Sillspitz in der Reichenau entführt. Auf dieser städti-
schen Mullablagerungsstätte wird täglich manches tau-
send Kilogramm Mist aufgestapelt und zum Teil sofort wie-
der von den Wassern des Inn und der Sill wegge-
schwemmt. Dies besonders bei hohem Wasserstand, wo
gewaltige Mengen der wenig appetitlichen Abfälle die
Reise in Richtung „Schwarzes Meer“ antreten…
So dreißig Autoladungen Mull dürften wohl jeden Tag
zum Sillplatz befördert werden. Jedes Auto hat einen
Fassungsraum von sechs Kubikmetern. Die bekannten,
die Kehrichtzüge bedienenden, Kübel tragenden und
entleerenden Gestalten im blauen Gewände laden am
Sillspitz drunten ihre Last mit bemerkenswerter Schnel-
ligkeit ab. Durch ein paar Kurbeldrehungen kippt der
schwere Oberbau des Kehrichtautos schräg um, die
Seitenwand klappt nach oben aus, und wie aus einem
breitklaffenden Riesenmaul speit nun der Wagen den
Unrat in langsamer Fahrt aus, so daß in einigen
Augenblicken der Autozug seiner Last ledig ist, die jetzt
mit Schaufel und Rechen verteilt wird. Jedes Hoch-
wasser zernagt dann immer wieder die lockeren Ab-
fallmassen an ihren Rändern, um sie schließlich inn-
abwärts zu nehmen. Es besteht also keinerlei Gefahr,
daß etwa der Sillspitz immer höher und höher wird
und schlussendlich als ragender Unratsberg das Innsbrucker
Stadtbild verschandelt.“
Es gab am Sillspitz aber auch eine Gruppe professioneller Müllsammler, welche den Abfallhaufen nach wiederverwertbaren Abfällen durchsuchten! Der Tiroler Anzeiger schreibt im selben Artikel von 1936:
„Der Abfall, den Innsbruck in die Reichenau liefert,
muß es sich aber, sofern er längere oder kürzere Zeit
dort liegen bleibt, gefallen lassen, daß er noch gründlich
durchsucht wird. Man sieht jahraus, jahrein am Sillspitz
Männer und Frauen, die mit Eifer in den Unratshäu-
fen herumstieren und dabei das, freilich schlecht ent-
lohnte Kunststück fertigbringen, der scheinbar wertlosen
Abfallmasse Werte abzuringen. Die Leute, die natür-
lich nicht städtische Bedienstete sind, sondern in „eigener
Regie“ arbeiten, nennen sich Sortierer, ein schöner
Name für eine wenig schöne Arbeit. Sie sortieren, in
dem sie nach Flaschen, anderen Glasteilen, Metall, Ha-
dern, Knochen usw. suchen. Man sollte es nicht glau.
ben, aber es ist so:
der Fremdenverkehr wirft seine
wirtschaftsbefruchtenden Wellen bis an die Ufer des
Sillspitzes; im Sommer geht das Geschäft der Sortie-
rer besser, weil die Innsbrucker Gaststätten viel Keh-
richt liefern, in dem „bessere“ Sachen zu finden sind, als
im fremdenverkehrslosen Mull.
Manches, was am Sillspitz lagert, ist freilich auch
beim besten Willen nicht zu verwerten, und so ist es
denn dazu verurteilt, eines Tages vom Inn fortge-
tragen zu werden, einer ungewissen Zukunft entgegen.
— Die von den Sortierern gefundenen „Schätze“ aber
werden an einen Aufkäufer abgegeben, der sie an einen
Großhändler weitergibt. Von dort kommen sie an die
Fabriken, die das Glas-, Metall-, Hadern- oder Kno-
chenrohmaterial wieder in neue Dinge umwandeln!“
Die Geschichte vom „Fremdenverkehrsmüll“ und vom fremdenverkehrslosen Müll passt auch gut zur aktuellen Ausstellung über die Innsbrucker Gaststätten im Stadtmuseum Innsbruck.